Borderline-Störung
 

Angehörige von Borderlinern

Das Leben als Angehöriger eines Borderliners kann sehr aufreibend sein.

Viele Angehörige sind verunsichert, wenn sich der Erkrankte selbst verletzt, wenn er Wutausbrüche hat. Oftmals entsteht auch eine Co-Abhängigkeit, das heißt, die eigenen Bedürfnisse werden vernachlässigt, man will den Erkrankten auf eigene Kosten glücklich machen, will für ihn nur das Beste oder läßt sich komplett vom Borderliner in den Bann ziehen.

Was auch immer man tut, ob man dem Betroffenen Vorwürfe macht oder Rücksicht übt, Konflikte werden dadurch nicht gelöst. Schon gar nicht ändert sich das Verhalten des Borderliners.

Das Borderline-Syndrom beeinflusst bei Kindern alle Lebensbereiche. Sie sind oft aggressiv, sind häufig ängstlich, depressiv und können schlecht Kontakte aufbauen. Aber auch auf körperlicher Ebene sind sie gestört. Häufig machen sie nachts ins Bett, haben Essstörungen, können schlecht schlafen, haben Denkstörungen oder sind beeinträchtigt in ihrer Wahrnehmung. Dazu kommen dann noch Probleme in der Schule.

Da manche Merkmale der Borderline-Störung jedoch auch ganz normale Verhaltensweisen in der Entwicklung eines Kindes sind, ist es nicht immer ganz einfach, die Entwicklung zum Borderliner zu bemerken. Zum Beispiel ist es normal, daß Kinder nicht immer durchschlafen, manchmal ängstlich oder wütend sind oder während der Pubertät einmal unausgeglichen oder depressiv sind.

Auffällig für Borderline-Kinder ist jedoch, daß Verhaltenszustände sich schnell nacheinander abwechseln. Gerade war das Kind noch ängstlich, plötzlich ist es übermäßig fröhlich. Oder Kinder spielen eine Weile glücklich mit ihren Freunden und auf einmal sind sie plötzlich wütend und schlagen um sich.

Günter
... Vanessa aus der 4b fiel mir schon lange auf. Sie war immer abwesend und verschlossen. Mit ihren Klassenkameradinnen spielte sie nie, stand in der Pause immer alleine herum.

Zur nächsten Elternversammlung fragte ich ihre Mutter, ob sie sich das erklären könne. Sie erzählte mir, daß sich Vanessa nach der Scheidung vor 2 Jahren immer mehr zurückgezogen habe, besonders aber, als vor einem halben Jahr der neue Lebensgefährte eingezogen sei. Die Beiden verstünden sich überhaupt nicht, immer gäbe es Streit ...

Oftmals sind es Lehrer oder Erzieher, also Nichtmitglieder der Familie, die die Tendenz zu einer Borderline-Störung als erste bemerken. Denn gerade in der Schule, in der eine soziale Anpassung erforderlich ist, fallen diese Kinder besonders oft auf.

Im günstigsten Fall entsteht dann ein Dialog zwischen dem Lehrer und den Eltern, so daß diese gemeinsam versuchen können, dem Kind zu helfen. Anlaufstellen für die Eltern sind zum Beispiel das Jugendamt oder das Sozialamt, die an weiterführende Einrichtungen verweisen können. Hier finden die Eltern auch Hilfe zur Erziehung oder bei der Bewältigung von Konflikten in Familien.
Falls der Verdacht einer sexuellen Misshandlung im Raum steht, so ist der Kinderschutzbund und natürlich auch das Jugendamt ein kompetenter Ansprechpartner.

Falls bei dem Kind eine Borderline-Entwicklung festgestellt wurde, ist eine Psychotherapie meist der einzige Weg, dem Kind zu helfen. Eine solche Psychotherapie wird ambulant durchgeführt und von den Krankenkassen bezahlt.


Es gibt drei Arten von Psychotherapie für Kinder: die verhaltenstherapeutisch orientierte Therapie, die tiefenpsychologisch orientierte Therapie und die familientherapeutisch orientierte Therapie.

Ziel einer verhaltenstherapeutisch orientierten Therapie ist es, falsche Verhaltensweisen zu beseitigen und Strategien zur Bewältigung von Problemen zu entwickeln.

Ziel einer tiefenpsychologischen Therapie ist es, die Ursachen der Erkrankung herauszufinden und zu beseitigen.

Ziel einer familientherapeutisch orientierten Therapie ist es, die Verhältnisse in der Familie aufzudecken, so daß ein normaler Umgang innerhalb der Familie ermöglicht wird.

Bei besonders schweren Fällen ist auch eine stationäre Therapie möglich. Wenn die sozialen Bedingungen oder das familiäre Umfeld nicht in der Lage ist, eine ambulante Therapie mitzutragen, wäre dies sicherlich die beste Lösung.

Das schlechte Gefühl der Eltern

Für Eltern ist es natürlich schwer, wenn Ihr Kind die Symptome einer Borderline-Erkrankung aufweist. Natürlich fühlen sich Eltern schlecht, wenn sich ihr Kind selbst verletzt oder in eine Sucht abdrifted. Durch das Verhalten entsteht aber auch eine große Verunsicherung in der Familie, wie diese Erkrankung in der Familie ausbrechen konnte und wie man sich jetzt verhalten soll. Leider versuchen viele Familien, das Problem dann unter den Teppich zu kehren. Die Krankheit wird totgeschwiegen, es wird so weitergelebt, als wäre nichts passiert. Leider wird dadurch die Krankheit des Betroffenen allerdings noch verstärkt, da er das Gefühl bekommt, nicht ernstgenommen zu werden.

Bin ich Schuld, daß mein Kind krank wurde?

Elvira:
... klar hatte ich immer Bedenken, daß ich 3 Tage die Woche auch nachmittags arbeiten mußte. Dann war meine Tochter immer alleine zu Hause.
Als ich dann hörte: Borderline!
gab ich mir die Schuld. Ich hätte mich mehr kümmern müssen...

Für viele Eltern beginnt nach der Diagnose Borderline auch die Suche nach der Schuld. Bin ich schuld, daß mein Kind krank geworden ist, habe ich in der Erziehung etwas falsch gemacht, habe ich dem Kind zu wenig Liebe gegeben, hat mein Partner vielleicht das Kind missbraucht?

Oftmals stehen vor den Familien dann leidvolle Monate, manchmal sogar Jahre.

Deswegen sollte unbedingt betont werden, daß nicht jede Borderline-Erkrankung durch einen sexuellen Missbrauch oder einen anderen Missbrauch entstanden ist! Genauso ist nicht ein Faktor alleine, also zum Beispiel die nicht ganz so glückliche Erziehung des Kindes, ein Auslöser. Es müssen immer mehrere Faktoren zusammenkommen, daß diese Krankheit ausbricht.

Wichtig ist es für Familien, sich Hilfe zu holen. Es gilt hier Fragen zu klären, wie zum Beispiel wie verhalte ich mich gegenüber dem Erkrankten. Hierfür ist es sinnvoll, therapeutische Dienste in Anspruch zu nehmen.

Regeln in der Familie

Frauke:
... Ich habe meiner Tochter gesagt, daß es in Ihrem Zimmer aussieht "wie im Schweinestall", sie soll doch endlich aufräumen, da ging gleich ein Riesengeschrei los...

Später am Abend bemerkte ich dann, daß sie sich wieder die Arme aufgeschnitten hatte.
Dabei wollte ich doch nur, daß sie wieder ein schönes Zimmer hat...

Damit sich für den Borderliner in der Familie etwas zum Positiven ändert, ist es sinnvoll, sogenannte Familienregeln aufzustellen, an die sich jeder zu halten hat, auch der Betroffene selbst.

 

Familienregeln

Erkennen Sie an, daß es eine Krankheit ist
Der Borderliner ist nicht schlecht, böse, verrückt oder sonst etwas: Er ist krank!
Er bringt Sie nicht mit Absicht auf die Palme, er ritzt sich nicht, weil es ihm Spaß macht.

Informieren Sie sich
Lesen Sie im Internet - zum Beispiel bei uns - , kaufen Sie sich Bücher usw.
Es ist wichtig, möglichst viel über die Krankheit zu wissen, den Borderliner zu verstehen!

Bleiben Sie ruhig, wenn der Borderliner wütend wird
Zurückschreien bringt gar nichts, außer daß Sie sich auf das Territorium des Borderliners begeben - und da ist er unschlagbar. Seine Reaktionen scheinen für Sie übertrieben, aber so ist das nun einmal bei Borderline. Bleiben Sie stattdessen ruhig, zeigen Sie ihm, daß Sie ihn lieben. Notfalls gehen Sie aus dem Haus und kommen erst zurück, wenn er sich beruhigt hat.

Seien Sie für ihn da, wenn es ihm schlecht geht
Zeigen Sie ihm, daß Sie ihn lieben, daß er sich auf Sie verlassen kann.
Wenn Sie dem Borderliner nicht helfen, verstärkt sich nur das Gefühl, daß er alleine ist und nicht geliebt wird. Er bittet Sie nicht um Hilfe, weil er nerven möchte, sondern weil er Hilfe braucht! Hören Sie ihm zu, zeigen Sie Verständnis, zeigen Sie Interesse - immer wieder, jedes mal.

Wenn ihm langweilig ist - Beschäftigen Sie ihn
Ja, Sie sind nicht der persönliche Clown... Aber: Wenn es dem Borderliner schlecht geht und er Langeweile hat, könnte eine selbstverletzende Attacke auftreten.

Dabei muß das Beschäftigen nichts Großartiges sein: Backen Sie einen Kuchen, gehen Sie spazieren, fahren Sie Rad, gehen Sie unter Menschen, besuchen Sie jemanden.

Zeigen Sie ihm, daß Sie ihn lieben
Borderliner haben ja ständig das Gefühl, nicht geliebt zu werden. Deswegen: Zeigen Sie ihm, daß Sie ihn lieben!
Auch wenn er etwas getan hat, was Sie nicht verstehen können, zeigen Sie ihm, daß Sie ihn trotzdem lieben und daß Sie ihn nicht im Stich lassen. Niemals!

Setzen Sie ihn nicht unter Druck
Den Betroffenen noch zusätzlich unter Druck zu setzen, bringt gar nichts, außer, die Lage noch zu verschlimmern.

Drohen Sie nicht, ihn zu verlassen, ihn nicht mehr zu lieben oder auch nur, ihn zu ignorieren, denn das ist so ziemlich das Schlimmste, was er sich vorstellen kann.

Spielen Sie nicht den Therapeuten
Auch wenn Sie jetzt wissen, was in ihm vorgeht und was man tun kann: Spielen Sie nicht den Therapeuten, der ihn heilen kann!

Lassen Sie sich aber auch nicht manipulieren und um den Finger wickeln
Wenn der Borderliner merkt, daß er machen kann, was er will, so wird er dies auch tun! Zeigen Sie ihm also auch Grenzen auf und machen Sie nicht alles, was er will!

Akzeptieren Sie, daß eine Veränderung nur langsam von Statten geht
Eine Borderline-Erkrankung geht nicht von heute auf morgen weg, es wird viele Monate dauern. Setzen Sie den Betroffenen also nicht unter Druck.

Führen Sie Familienrituale ein
Essen Sie miteinander, reden Sie regelmäßig miteinander, unternehmen Sie etwas miteinander. Auch wenn es manchmal schwer fällt.

Üben Sie nur konstruktive Kritik

Sprechen Sie sich als Eltern über Entscheidungen untereinander ab
So kann vermieden werden, daß der eine irgendwann als der Gute, der andere als der Böse angesehen wird.


Wie schon angedeutet, müssen diese Regeln für alle gelten, ohne Ausnahme. Jeder hat Rechte, aber auch Pflichten.

Erwarten Sie aber nicht, daß die eingeführten Regeln sofort eingehalten werden. Meist ist es auch für die Nicht-Borderliner in der Familie schwer, sich an das neue Miteinander zu gewöhnen.

 

Was die Familie noch ändern kann - Zeigen Sie Gefühl!

Studien haben gezeigt, daß das Leben von Gefühlen, also das Zeigen und das Miteinander-darüber-Reden, sich günstig bzw. ungünstig auf die Borderline-Erkrankung auswirken können.
Verwendung dafür findet der Begriff Gefühlsausdruck.

Es gibt einen sogenannten hohen Gefühlsausdruck, es wird also stark und häufig über die Gefühle geredet. Gegensatz dazu ist der niedrige Gefühlsausdruck, also das Verbergen der Gefühle voreinander.

In Familien, in denen ein hoher Gefühlsausdruck herrscht, kommen psychische Erkrankungen weit weniger vor als in Familien mit einem niedrigen Gefühlsausdruck.

Lernen Sie also, Gefühle zu zeigen und diese auch mitzuteilen!

Dazu ist es oft notwendig, sich erst selbst über die eigenen Gefühle klar zu werden. Wie fühle ich mich? Bin ich ärgerlich, wenn ja warum? Fühle ich mich wohl? Macht mir etwas Angst? Warum habe ich Angst?

Lara:
Früher dachte ich immer, meine Mutter liebt mich nicht. Ständig machte sie mir Vorwürfe, weil ich schlechte Noten in der Schule hatte.

Eines Tages, ich fand sie weinend über meiner 5 in Mathe, sagte sie mir, daß sie sich Sorgen macht. Sie hat Angst, daß ich später keinen guten Job kriege...

Hat man seine Gefühle dann einsortiert, sollte man sie auch ausdrücken, jedoch vernünftig. Wenn Sie sich über jemanden freuen, sagen Sie es! Sind Sie traurig, weil sie jemand geärgert hat, sagen Sie es! Nehmen Sie Ihre Familienmitglieder auch einmal in den Arm, einfach so...!

Auf diese Weise kommen sich die einzelnen Familienmitglieder wesentlich näher, sie nehmen aber auch mehr Rücksicht aufeinander.

 


 

 

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